Deutschland einig Jammerland: Warum SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz eine gute Antwort auf unsere Schwarzmalerei ist
Ein Standpunkt von Gabriel Schandl
Es muss doch auch mal gut sein! Unsere Wirtschaft brummt, Wolfgang Schäuble freut sich über einen Milliardenüberschuss. Und jetzt hat sogar die SPD mit dem Rücktritt von Sigmar Gabriel und der Entscheidung für Martin Schulz die Kurve gekriegt und die Bundestagswahl im Herbst doch noch spannend gemacht.
Was mir besonders auffällt, wenn ich von Auslandsreisen nachhause komme: Nirgendwo auf der Welt wird so viel lamentiert und schwarz gesehen wie bei uns. In extremen Ausprägungen – Pegida und AfD lassen grüßen – fühlen wir uns sogar ständig bedroht. Hin und wieder real, häufig aber auch völlig irrational. Das ist auch in den sozialen Medien, vor allem auf Facebook, sehr spürbar.
Woran liegt’s? Kollektives Jammern verschafft den Menschen offenbar ein wohliges Gefühl von Gemeinschaft. Denn während die Südländer – trotz echter Wirtschaftskrisen – eher Lust auf Fiesta haben, schweißen sich Deutsche – und übrigens auch Österreicher – gern auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner zusammen: beim Jammern. Was natürlich viel einfacher ist, als an der tatsächlichen Situation etwas zu ändern. Der gemeinsame Feind macht zufrieden – Schuld am Missstand haben immer die anderen.
Der neue SPD-Kanzlerkandidat und Parteichef könnte an diesem kollektiven Gefühl etwas ändern. Denn sein Aufstieg beweist, dass man auch selbst etwas für sein Glück tun kann, ohne ständig auf andere zu zeigen: Start ins Leben in einer Bergmannsfamilie. Kein Geld für Schulbücher. Das Gymnasium ohne Abitur verlassen. Als junger Erwachsener eine Zeit lang Alkoholiker. Doch dann aus eigener Kraft die Wende: Buchhändler, Bürgermeister, wichtigster Mann im EU-Parlament. Und nun? Eine ernsthafte Gefahr für Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Wer Schulz kennt, weiß: Er gibt niemals auf. Und er weiß: Wer etwas werden will, macht einfach, freut sich sogar über das, was er tut. Und vor allem: Er jammert nicht.
„Früher war alles besser“ oder „Das hat ja eh keinen Sinn“ sind Sprüche, die deutlich machen: Wir fühlen uns kollektiv mit halb leeren Gläsern wohler als mit halb vollen. Und verlieren damit – leider – immer mehr den Willen zur Leistung und den Lebenssinn. Denn ohne Anstrengung kein Preis, ohne Einsatz kein Erfolg. Siehe Martin Schulz.
Weiteres Beispiel gefällig? Hören Sie mal Radio. „Noch ein Tag bis zum Wochenende“, heißt es dort schon am Freitagmorgen sehnsüchtig. Doch, sorry, was ist denn am Wochenende so wichtig? Ist unser Leben nur schön, wenn wir nicht arbeiten? Wir verbringen einen Großteil unserer Wachzeit im Beruf. Statt das Beste aus dieser Zeit zu machen, sehnen wir uns von Montag bis Freitag den Samstag herbei.
Das hat Folgen: Wir hatten noch nie so viele psychische Erkrankungen wie heute. Nicht nur wegen der tatsächlichen Arbeitsbelastung. Oft auch nur deshalb, weil wir alles unendlich schwer nehmen. Selbstverständlich macht Arbeit nicht nur Spaß. Doch dabei kann man durchaus auch Freude empfinden, wenn die Einstellung und die Arbeitseinteilung stimmt. Und die ist eine Frage der Mentalität.
So fragt man in Amerika beispielsweise ohne Neid und Missgunst: „Wie bist Du so erfolgreich geworden? Was kann ich besser machen?“ Während in Deutschland eher nach dem „Warum?“ gefragt wird und sich jeder verdächtig macht, der Freude an seinem Job hat.
Das passt zweifellos zum Land der Dichter und Denker. Und sicherlich mögen wir deshalb auch lieber die hängenden protestantisch anmutenden Mundwinkel von Angela Merkel als die feiste Machtdemonstration eines Donald Trump – oder eben den unsteten und unberechenbaren Populismus eines Sigmar Gabriel.
Martin Schulz wirkt dagegen wie ein solider deutscher Weg der Mitte: ernsthaft, hart an sich und an der Sache arbeitend. Ehrgeizig. Und trotzdem ein Mensch, der weiß, dass man es mit Jammern und „auf andere zeigen“ nicht weit bringt.
Als Schüler – wie er selbst sagt – „ein Sausack“. Bald möglicherweise Kanzler. Schulz wäre eine gute Antwort auf unsere ewige Schwarzmalerei.
Zur Person: Gabriel Schandl ist Wirtschaftswissenschafter und Leistungsforscher. Als neugieriger Erfolgs-Scout, leidenschaftlicher Keynote-Speaker und engagierter Wirtschafts-Coach ist er Sammler und Umsetzer von Best-Practice Beispielen. Der Constantinus Preisträger ist Buchautor und lehrt an der Fachhochschule Puch-Urstein Social Skills. Von ihm stammt der Begriff und das Konzept des „Leistungsglücks“, welches er in seinen Vorträgen weltweit eindrucksvoll darstellt.